Die Schweiz steht vor der gewaltigen Aufgabe, ihre Energieversorgung nachhaltig und klimafreundlich zu gestalten. Dabei bietet die bestehende Gasinfrastruktur einen erheblichen Mehrwert, wie bereits die Studie «The Value of Gas Infrastructure in a Climate-Neutral Europe» aus dem Jahr 2019 gezeigt hat. Laut dieser Studie könnten wir durch die fortgesetzte Nutzung der Gasinfrastruktur bis 2050 jährliche Einsparungen von 1,2 bis 1,8 Milliarden CHF erzielen – das sind etwa 145 bis 206 Euro pro Kopf.
Zwei Szenarien für den Einsatz von Gas
Die Studie vergleicht zwei Szenarien:
- „All-Electric plus Gas Storage“: Hier sind die meisten Endverbrauchergeräte elektrifiziert, und Gas wird nur für die saisonale Speicherung genutzt.
- „Electricity and Gas Infrastructure“: In diesem Szenario wird erneuerbares Gas weiterhin über bestehende Gasnetze zu den Endverbrauchern geliefert.
Die Einsparungen ergeben sich durch:
- Vermeidung kostspieliger Investitionen in elektrische Heizgeräte.
- Reduzierung der Ausbaukosten für das Stromverteilungsnetz.
- Kostenvorteile bei der Stromerzeugung und der Produktion bzw. dem Import von erneuerbarem Gas.
Vorhandenes nutzen statt Neues bauen
Die Schweizer Gasinfrastruktur ist bereits gut ausgebaut und deckt alle dicht besiedelten Gebiete ab. Mit über 19.000 km Länge, davon mehr als 2.200 km Hochdruckleitungen, bietet sie eine zuverlässige Grundlage für die zukünftige Energieversorgung. Diese bestehende Infrastruktur könnte ohne grosse Investitionen weitergenutzt werden, was sie zu einer kosteneffizienten Lösung für die Integration erneuerbarer und kohlenstoffarmer Gase macht. Zudem liegt die Importkapazität der Gasinfrastruktur weit über jener des Stromnetzes.
Positive Auswirkungen auf die Akzeptanz der Energiewende
Der Ausbau des Stromnetzes stösst oft auf Widerstand in der Bevölkerung, während die bestehende Gasinfrastruktur ohne grössere Eingriffe weitergenutzt werden kann. Dies minimiert Konflikte mit betroffenen Anwohnern und erhöht die Akzeptanz der Energiewende.
Integration erneuerbarer Gase
Die zukünftige Nutzung der Gasinfrastruktur hängt wesentlich von der Integration erneuerbarer Gase wie Biomethan und synthetischem Methan ab. Die Schweiz produziert bereits Biomethan und hat das Potenzial, die Produktion weiter zu steigern. Technologien wie Power-to-Gas können überschüssigen Strom in Gas umwandeln, das Netz entlasten und die Speicherung erleichtern.
Saisonale Nachfragepeaks besser abfangen
Ein grosser Vorteil der Gasinfrastruktur ist ihre Fähigkeit, saisonale Nachfragepeaks zu bewältigen. Besonders im Winter, wenn der Energiebedarf aufgrund von Heizungsanforderungen stark ansteigt, kann die Gasinfrastruktur eine stabile Versorgung gewährleisten. Die Speicherung grosser Gasmengen für den saisonalen Gebrauch ist technisch erprobt und effizient, was die Notwendigkeit teurer und komplexer Stromspeicherlösungen reduziert.
Aus Sicht der IG Energiegase ist die weitere Nutzung und gezielte Anpassung der bestehenden Gasinfrastruktur ein entscheidender Schlüssel zur Umsetzung der ambitionierten Schweizer Energiewende 2050. Rückbaupläne sollten kritisch überdacht werden, da die bestehende Infrastruktur eine kosteneffiziente und zukunftssichere Lösung für die Dekarbonisierung bietet. Städte und Gemeinden, die derzeit den Rückbau der Gasinfrastruktur planen, sollten die langfristigen Vorteile und Einsparpotenziale berücksichtigen, um das Ziel der Klimaneutralität möglichst kostengünstig zu erreichen.
Quelle:The Value of Gas Infrastructure in a Climate-Neutral Europe